27. Juni 2025 | MVV

Klimaneutralität braucht Negativemissionen: MVV-Studie liefert Empfehlungen für Hochlauf von biogener CO2-Abscheidung

Eine Studie des Beratungsunternehmens Guidehouse und der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) im Auftrag von MVV zeigt, dass Klimaneutralität nur mit Negativemissionen machbar ist. Allerdings besteht eine enorme Finanzierungslücke bei biogener CO₂-Abscheidung, -Speicherung oder -Nutzung (BECCUS). Der Aufbau eines Marktes für Negativemissionen ermöglicht langfristige Finanzierung von BECCUS-Anlagen. Außerdem sind kurzfristige Förderprogramme für First Mover sowie Regulierungs- und Finanzierungsrahmen für CO₂-Infrastruktur notwendig.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2045 auf „Netto-Null“ sinken. Doch auch bei einer konsequenten Dekarbonisierung des Energiesektors verbleiben unvermeidbare Restemissionen, etwa aus der Landwirtschaft oder aus industriellen Prozessen. Diese können nur durch Negativemissionen kompensiert werden, also indem der Atmosphäre CO2 entzogen wird. Eine zentrale Rolle spielen dabei BECCUS-Technologien (Bioenergy with Carbon Capture, Utilization or Storage): Sie erzeugen Negativemissionen durch die Abscheidung von CO2 biogenen Ursprungs und können beispielsweise an thermischen Abfallbehandlungsanlagen und Biomassekraftwerken eingesetzt werden – und so für einen Klimapositiv-Effekt sorgen.

Die Mannheimer MVV Energie AG hat nun in einer Studie durch das Beratungsunternehmen Guidehouse und die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) untersuchen lassen, welche Schritte für eine Etablierung von Technologien für Negativemissionen notwendig sind. MVV hat sich mit dem Mannheimer Modell das strategische Ziel gesetzt, als eines der ersten Energieunternehmen Deutschlands bis 2035 #klimapositiv zu werden – also nicht nur eigene Restemissionen auszugleichen, sondern sogar negative Gesamtemissionen zu erreichen. Das Energieunternehmen arbeitet daher bereits an großtechnischen BECCUS-Lösungen und greift dabei auf die Betriebserfahrung aus ihrer ersten #klimapositiven Anlage in Dresden und aus ihrem Piloten zu CO2-Abscheidung und -Aufbereitung in Mannheim zurück – und das aus eigener Kraft ohne Anschubfinanzierungen.


Ohne Reformen verliert Deutschland den Anschluss

Der Schwerpunkt der Politik liegt bislang bei der CO2-Entnahme in der Industrie (Carbon Capture and Utilization, CCU, oder Carbon Capture and Storage, CCS). „Negativemissionen durch die biogene CO2-Abscheidung und -Speicherung oder
-Nutzung, also BECCUS, bleiben dagegen weitestgehend unbeachtet. Das ist aus unserer Sicht ein grundlegender Fehler. Wir müssen stattdessen beide Verfahren zusammendenken“, so Dr. Christoph Helle, Generalbevollmächtigter bei MVV und dort u.a. verantwortlich für den Dialog mit der Energiepolitik. Obwohl auch Negativemissionen für das Erreichen der Klimaziele notwendig sind und BECCUS technisch bereits möglich ist, wie MVV mit ihrem Pilotprojekt gezeigt hat, sind Investitionen in entsprechende Technologien im aktuellen Ordnungsrahmen nicht wirtschaftlich abbildbar.

„Bei der Entwicklung des Ordnungs- und Regulierungsrahmens sind viele Länder weiter als Deutschland“, erklärt Dr. Helle. „Wir benötigen dringend ein passendes Marktdesign und eine CO2-Infrastruktur, damit sich Negativemissionen langfristig ohne Förderung über den Markt finanzieren. Für einen kosteneffizienten und schnellen Hochlauf von Negativemissionstechnologien brauchen wir schon jetzt klare Weichenstellungen – in Deutschland, aber auch EU-weit.“

Die Untersuchung von MVV regt daher einen geeigneten Handel für Negativemissionen an, um Investitionen abzusichern, beispielsweise durch eine Integration in den europäischen Energiehandel. Dennoch bleibt laut Studie eine erhebliche Finanzierungslücke: Die Kosten für Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 sind demnach deutlich höher als die möglichen Einnahmen durch den Verkauf von Negativemissionszertifikaten. Um diese Lücke bei einem Biomassekraftwerk zu schließen und BECCUS wirtschaftlich zu betreiben, müssten die Preise für Negativemissionen bei über 240 Euro pro Tonne liegen, hat MVV in ihrer Studie ermittelt. Das sind rund 130 Euro mehr als die aktuellen Prognosen für den CO2-Preis.

Sogenannte „Contracts for Difference“ (CfDs) könnten die Investitionszurückhaltung für BECCUS-Anlagen beheben, so eine weitere Empfehlung der Studie. Dabei würde der Staat die Finanzierungslücke in Abhängigkeit von den zukünftigen CO2-Preisen schließen. Voraussetzung hierfür wären jedoch europaweit verbindliche Zertifizierungs- und Stan-dardisierungssysteme sowie ein liquider Markt für Negativemissionszertifikate. Die Studie betrachtet CfDs daher als Finanzierungslösung, die nur auf längere Sicht verfügbar ist.


Schneller Markthochlauf verlangt Förderprogramme für First Mover

Bis solche Marktinstrumente etabliert sind, empfiehlt die Studie zusätzliche Anschubfinanzierungen. Insbesondere Anlagen von First Movern – also von Unternehmen wie MVV, die schon jetzt den Einsatz von BECCUS-Technologien vorantreiben – benötigen kurzfristig gezielte staatliche Förderprogramme. Die MVV-Studie rät deshalb dazu, für den Erfolg von Negativemissionstechnologien die gesamte Prozesskette – von der Abscheidung über den Transport bis hin zur Nutzung oder Speicherung von CO2 – durch spezifische Investitionszuschüsse anzukurbeln. Schließlich entstehen 70 Prozent der Gesamtkosten im Betrieb.

Das weltweite Marktpotential für Negativemissions-Technologien wird auf rund eine Billion Euro geschätzt. Die Länderanalysen der Studie zeigen zudem: Bei der Entwicklung des Ordnungs- und Regulierungsrahmens sind viele Länder weiter als Deutschland.

Darüber hinaus empfiehlt die Studie für einen Transport großer CO2-Mengen ein langfristig zu errichtendes CO2-Kernnetz. Betreiber und Nutzer sollten dabei den Verlauf des CO2-Netzes gemeinsam unter staatlicher Moderation erarbeiten.


Vier Handlungsempfehlungen für die Politik

Insgesamt betrachtet, leitet die MVV-Studie vier zentrale Handlungsempfehlungen für einen schnellen und kosteneffizienten Hochlauf von Negativemissionen ab:

  1. Einheitliche Standards einführen
  2. Gesamte Prozesskette beim Förderrahmen berücksichtigen
  3. Negativemissionen in europäischen Emissionshandel integrieren
  4. Regulierungs- und Finanzierungsrahmen für CO2-Infrastruktur entwickeln

 

Die gesamte Studie „Wege zur Skalierung von Negativemissionstechnologien – Empfehlungen für Marktdesign, Infrastruktur und Finanzierung“ finden Sie im Internet unter mvv.de/beccus-studie.