Windenergie
Was steckt hinter stehenden Windrädern?
Windräder, die sich nicht drehen – ein Bild, das manche stutzig macht. Die Anlagen ragen in den Himmel, der Wind weht, doch die Rotorblätter ruhen. Kein Wunder, dass dazu verschiedene Vermutungen kursieren. Aber was steckt wirklich dahinter? Von Flauten über Netzengpässe bis hin zum Artenschutz – wir klären auf, warum Windanlagen manchmal innehalten müssen.

Windkraft: Energieträger der Zukunft
Ein Blick auf Statistiken über die Zusammensetzung des deutschen Stroms zeigt deutlich: Kein Energieträger spielt aktuell eine größere Rolle als der Wind. 2024 lieferte Windkraft rund ein Drittel des erzeugten Stroms – und ist damit die stärkste Energiequelle im Land. Vor allem im windreichen Norden Deutschlands ist Windenergie reichlich verfügbar und wird über leistungsfähige Stromtrassen in alle Regionen des Landes verteilt. Gleichzeitig hat sich die Technologie rasant weiterentwickelt: Moderne Windkraftanlagen arbeiten leistungsstärker denn je und erreichen inzwischen eine Verfügbarkeit im Sinne der technischen Betriebsbereitschaft von rund 98 %. Und doch stehen Windräder immer wieder still. Woran liegt das?
Wenn sich nichts dreht: 5 Gründe für den Stillstand
Es mag einfach erscheinen, doch zwischen Rotorblatt und Steckdose liegt ein komplexes System aus Technik, Netzen und Regeln. Trotz ihrer hohen technischen Verfügbarkeit liegt die tatsächliche Auslastung von Windkraftanlagen – gemessen am sogenannten Kapazitätsfaktor, also dem Verhältnis der tatsächlichen Stromproduktion zur maximal möglichen – meist unterhalb von 50 %.
Beispiel: Würde eine moderne Onshore-Windkraftanlage ihre Nennleistung das ganze Jahr über konstant erbringen, käme sie auf rund 43.800 Megawattstunden (MWh) Strom. In der Praxis erreicht sie jedoch nur etwa 15.000 bis 20.000 MWh pro Jahr – das entspricht einem Kapazitätsfaktor von 35 bis 45 %. Hier sind fünf zentrale Gründe dafür.
1. Einspeisemanagement
Windenergie ist volatil – sie lässt sich nicht gezielt nach Bedarf produzieren. Damit es nicht zu Stromausfällen kommt, müssen Netzbetreiber jederzeit das Gleichgewicht zwischen Einspeisung und Verbrauch sicherstellen. Dafür nutzen sie das sogenannte Redispatch-System: Es legt fest, welche Kraftwerke ihre Einspeisung erhöhen oder drosseln, um das Netz stabil zu halten.
2. Wind- und Umweltverhältnisse
Wind ist nicht gleichzusetzen mit nutzbarer Windenergie. Auch wenn es weht, kann die tatsächliche Energieausbeute durch Turbulenzen oder eine zu geringe Luftmassendichte deutlich sinken. Windräder arbeiten zudem nur innerhalb eines bestimmten Windgeschwindigkeitsbereichs. Unter 3 m/s liefern sie kaum Energie und schalten sich automatisch ab. Ab etwa 12 m/s wird die Leistung gedrosselt und bei Sturm in der Regel ab etwa 25 m/s gehen die Rotorblätter in Fahnenstellung – sie drehen sich parallel zum Wind, um keinen Widerstand zu bieten, sodass die Anlage stoppt. Auch Eis oder Schnee können kurzfristig Stillstände verursachen.
3. Anwohnerschutz
In Siedlungsnähe gelten strenge Auflagen für Lärm- und Lichtemissionen. Um Anwohnende zu schützen, werden Windkraftanlagen mitunter nachts gedrosselt oder vorübergehend abgeschaltet. Besonders relevant sind dabei Schallgrenzwerte und der sogenannte Schattenwurf: Fällt Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel durch die Rotorblätter, entsteht ein flackernder Effekt, auch Stroboskopeffekt genannt. Dieser kommt jedoch bei modernen Anlagen immer seltener vor und falls doch, verfügen diese über automatische Abschaltsysteme.
4. Artenschutz
Zum Schutz gefährdeter Tierarten werden Windräder unter bestimmten Bedingungen zeitweise abgeschaltet – etwa bei erhöhtem Fledermausflug oder in sensiblen Zug- und Brutzeiten von Vögeln. Die Anlagen werden in enger Abstimmung mit Artenschutzgutachten betrieben und bei Bedarf gezielt gesteuert.
5. Technische Probleme und Inbetriebnahme-Phasen
Auch technische Ursachen können zum Stillstand führen: Defekte, Software-Fehler oder Netzanschlussprobleme führen dazu, dass einzelne Anlagen oder ganze Windparks vorübergehend aussetzen. Zudem sind regelmäßige Wartungen nötig. Und: Nicht jedes stillstehende Windrad ist bereits in Betrieb – die Inbetriebnahme großer Windparks kann sich über Wochen oder sogar Monate hinziehen.
Fazit
Stillstehende Windräder sind meist kein Problem, sondern Teil eines Systems: Sie sichern die Netzstabilität, schützen Anwohner und Natur. Die Windkraft ist heute ein zentraler Pfeiler der Energiewende und kann dank moderner Technik deutlich mehr Energie ins Netz einspeisen. Ihr Betrieb hängt jedoch von technischen und ökologischen Faktoren ab – vom Windangebot bis hin zu Schutzauflagen. Langfristig birgt sie jedoch das Potenzial, fossile Energieträger nicht nur zu ergänzen, sondern vollständig zu ersetzen. Dann werden Windräder auch immer seltener stillstehen.
							

