Energiewende
Solardachpflicht in Baden-Württemberg: Was Häuslebauer und Eigentümer jetzt beachten sollten
Baden-Württemberg ist wieder einmal Vorreiter in Sachen Klimaschutz: Seit dem 1. Mai 2022 gilt hier eine Solardachpflicht für alle Neubauten – Wohngebäude eingeschlossen. Im Gebäudebestand greift die Verpflichtung ab 2023 auch bei einer Dachsanierung. Was Sie als Hausbesitzer jetzt beachten sollten, lesen Sie in diesem Beitrag.
Neubau: Antragsdatum für Baugenehmigung entscheidet
In Baden-Württemberg unterstehen alle Nichtwohngebäude seit Anfang 2022 einer Photovoltaik-Pflicht (PV-Pflicht). Große Unternehmen und Kleingewerbetreibende müssen Neubauten wie Hallen oder Firmengebäude sowie offene Parkplätze mit mehr als 35 Stellplätzen mit einer PV-Anlage ausstatten. Wenn Sie aktuell einen Neubau planen und noch keine Baugenehmigung beantragt haben, kommen Sie um die PV-Pflicht nicht herum. Denn auch wer seit dem 1. Mai 2022 einen Bauantrag für den Neubau eines Wohngebäudes bei der jeweils zuständigen unteren Baurechtsbehörde einreicht, muss 60 Prozent der solargeeigneten Dachfläche mit einer PV-Anlage belegen. Haben Sie Ihren Bauantrag vor diesem Stichtag gestellt, sind Sie nicht von der PV-Pflicht betroffen. Für genehmigte Neubauten gibt es also keine nachträgliche Verpflichtung.
Generell definiert die Photovoltaik-Pflicht-Verordnung Dachflächen für geeignet, die eine zusammenhängende Mindestfläche von 20 Quadratmetern haben und bei einer Ausrichtung nach Norden eine Neigung von höchstens 20 Grad aufweisen oder bei einer Neigung von 20 bis 60 Grad bei nach Osten, Westen oder Süden ausgerichteten Anlagen. Allerdings können Sie sich befreien lassen. Vor allem Gebäude mit einem verschatteten Dach, weniger als 50 Quadratmeter Raumnutzfläche sowie solche ohne einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz sind ungeeignet und unterliegen nicht der PV-Pflicht. Gebäudeeigentümer, bei denen die PV-Pflicht mit einem unverhältnismäßig hohen wirtschaftlichen Aufwand verbunden wäre, können bei ihrer Baubehörde einen Antrag auf Befreiung stellen.
Hinweis: In diesem Ratgeber erhalten Sie einen Überblick zur Solarpflicht aller Bundesländer.
Beispiel zur Solardachpflicht an einem Einfamilienhaus mit Satteldach
Ein Einfamilienhaus mit Satteldach in Nord-Süd-Ausrichtung verfügt über eine solargeeignete Dachfläche von etwa 60 Quadratmetern Fläche. Dabei ist nur die Südseite relevant, denn die Neigung des Norddaches ist größer als 20 Grad und wird somit nicht angerechnet. Um nun die Pflicht zu erfüllen, sind 36 Quadratmeter des Süddaches mit Solarmodulen zu belegen, was einer Anlagenleistung von circa 8 Kilowatt-Peak entspricht.
Angenommen, ein Kilowatt-Peak kostet rund 1.800 Euro, würde die Anlage insgesamt 14.400 Euro kosten. Sind diese Kosten größer als 20 Prozent der Baukosten des Gebäudes, ist eine entsprechende Verkleinerung der Anlage möglich. Die Baukosten dürften für unser Beispielhaus dann aber nur 72.000 Euro betragen, was derzeit äußerst unrealistisch ist.
Nichtwohngebäude: Erzeugung und Verbrauch passen optimal zusammen
Insbesondere bei Nichtwohngebäuden mit größeren Dachflächen lohnt sich eine PV-Anlage. Denn dort wird der Solarstrom genau dann erzeugt, wenn im Betrieb der meiste Strom benötigt wird. So kann der größte Anteil direkt vor Ort selbst verbraucht werden – gut für die Wirtschaftlichkeit der Solaranlage und das Stromnetz.
Dachsanierung: Hausbesitzer sollten mit kühlem Kopf planen
Im Falle einer grundlegenden Dachsanierung greift die Pflicht bei einem Bauantrag, der nach dem 1. Januar 2023 eingereicht wird. Auslegungsbedürftig ist noch der Begriff „grundlegend“. Ein Austausch der Dachpfannen reicht vermutlich nicht. Auch wenn es aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist, eine PV-Anlage zu installieren, könnte die Pflicht im Einzelfall aufgehoben werden. Besonders klug rechnen sollten Sie als Hausbesitzer, wenn bei Ihnen eine Dachsanierung ansteht. Sie könnten diese natürlich noch in 2022 planen und bei Ihrer zuständigen Baubehörde den Antrag stellen. Dann kämen Sie um die PV-Pflicht herum. Andererseits wäre es aber eine ideale Gelegenheit, Ihre Immobilie mit einer Photovoltaikanlage aufzuwerten und Ihre monatlichen Energiekosten dauerhaft zu senken. Clever geplant, ließe sich zum Beispiel das Gerüst direkt mitnutzen. Außerdem wurde zum 1. Juli 2022 die Einspeisevergütung für nicht selbstgenutzten Strom für PV-Anlagen mit maximal zehn Kilowattstunden Leistung auf 12,5 Eurocent angehoben. Zudem gibt es Förderprogramme.
Übersicht: Solardachpflicht in Baden-Württemberg
Seit 1. Januar 2022
- Neubau von Nichtwohngebäuden
- Neubau von offen Parkplätzen mit mehr als 35 Stellplätzen
Seit 1. Mai 2022
- Neubau von Wohngebäuden
Ab 01. Januar 2023
- Bei grundlegender Dachsanierung
Fördermittel bei KfW, BAFA sowie dem Land beantragen
Die umfangreichsten Programme zur Förderung von Photovoltaikanlagen bieten die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Je nach Förderlinie erhalten Sie einen nichtrückzahlbaren Zuschuss oder ein zinsgünstiges Darlehn mit Tilgungszuschuss. Hinzu kommen Fördermaßnahmen des Landes Baden-Württemberg sowie einzelner Kommunen. Für eine Förderung müssen Sie als Antragsteller einen Nachweis erbringen, welche Leistung Ihre PV-Anlage hat und wie viel CO2-Emissionen Sie damit der Umwelt ersparen. Anträge bei der KfW müssen Sie über Ihre Hausbank stellen. Bei der BAFA können Sie Ihre Anträge bei den meisten Programmen online stellen. Beachten Sie dabei: Sie müssen erst den Antrag stellen, bevor Sie die Anlage bauen. Bei der Fördermittelpolitik besteht viel Dynamik. Die Förderlinien werden häufig angepasst. Aktuelle Informationen zu den Förderprogrammen finden Sie auf den Webseiten Ihrer MVV Energie AG.
Sie wollen sich einen Überblick über die jeweils aktuellen Förderprogramme verschaffen? Nutzen Sie ganz einfach unseren Fördermittelfinder.
Fazit: PV-Pflicht als Chance verstehen
Wenn Sie heute den Neubau eines Einfamilienhauses planen, sollten Sie die PV-Anlage direkt in die Wirtschaftlichkeitsberechnung Ihres Energiekonzepts berücksichtigen. Sie werden sehen, dass sich diese Investition vor allem lohnt, wenn Sie mit dem selbsterzeugten Strom auch eine Wärmepumpe betreiben und/oder das Elektroauto laden. In Baden-Württemberg könnte dies besonders erfolgreich sein. Denn es zählt zu den sonnenreichsten Bundesländern.
Und wenn Sie bei einer Dachsanierung schon den Aufwand mit Gerüst und Handwerkern haben, machen Sie gleich Nägeln mit Köpfen. Schließlich werden bald alle Bundesländer eine PV-Pflicht einführen. Hamburg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz schreiben ab 2023 die Pflicht zumindest für gewerbliche Neubauten vor. Auch die Bundesregierung hat eine Solardachpflicht in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Künftig wird die PV-Anlage auf dem Dach also zum Standard gehören.
Übrigens: Bis spätestens 2040 will das Land Baden-Württemberg klimaneutral sein und damit fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre früher als die EU.